Andreas Fischer (58) ist Vorsitzender des Kleingartenvereins Angergrund e. V. und baute die Kolonie vor mehr als 40 Jahren mit auf. Wir sprachen mit ihm auch über die ungewisse Zukunft der Anlage zwischen Horstweg und Dieselstraße.
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Zum Beitrag des VerfassersPioniergeist am Angergrund

Herr Fischer, Sie und Ihre Eltern gehören in Potsdam zu den Gartenpionieren. Wie ist Ihre Familie damals eigentlich zu ihrem Garten am Angergrund gekommen?
Meine Eltern stammen aus Schlesien und Ostpreußen und haben sich erst nach dem Krieg in Potsdam kennengelernt. Anfang der 50er Jahre hatten alle Fischers ihre Lauben im Raum Zentrum Ost – bis 1971 beschlossen wurde, dort Wohnungen zu bauen. Drei Jahre lang hatten wir danach keinen Garten, weil es schwer war, einen zu bekommen. Aber mein Vater gab nicht auf. Auch für uns vier Kinder wollte er unbedingt ein Stück Grün.
Wir hatten dann das Glück, in der Kleingartenanlage „Uns genügt’s“ eine Parzelle zu bekommen. Die ist uns aber nur fünf Jahre erhalten geblieben, bis zum Bau der Nuthe-Schnellstraße und der Heizungstrasse. Mein Vater fing dann schließlich mit 68 Jahren an, auf dem heutigen Angergrund mit 30 anderen und mit Unterstützung der Familie das verwilderte Grundstück urbar zu machen. Das war 1979. Ich selbst war damals im Oktober gerade sechzehn geworden. Ich habe den Spaten in die Hand genommen und mitgeholfen.
Wie sah das Gebiet damals aus?
Die Fläche, die hier vorher existiert hatte, lag damals noch viel tiefer im Vergleich zur Straße als heute. Damals wurde Erde, die beim Bau der Brücken für die Nuthe-Schnellstraße anfiel, hier aufgefahren. Durch die Erde und durch die vielen Lkw-Fahrten hatte sich der unterliegende Boden verdichtet. Danach lag hier alles etwa eineinhalb Jahre lang brach und die Natur konnte sich die Fläche wieder zurückholen.
Wir hatten dann sehr große Schwierigkeiten beim Graben. Kaum ein Spaten kam in die Erde. Die Hauptwege waren damals schon vorgegeben. Sie wurden mit Schlacken aus den Kraftwerken in der Berliner Straße gebaut. Als wir den Strom verlegten, mussten wir ganz schön kämpfen, das alles wieder auszuheben.
Und wie lange dauerte es, bis die Kleingartenanlage Gestalt annahm?
Das Gelände war damals zumindest schon eingezäunt und die Parzellen abgesteckt, das hatte die Stadt organisiert. Das urbar machen lag aber natürlich in den Händen der Pächter. Wenn man dann ein Grundstück vorfindet, auf dem das Gras mannshoch steht und man mit dem Spaten kaum in den Boden kommt, bedeutet das viel Arbeit.
Wir hatten damals das große Glück, dass wir am Neuendorfer Anger einen Bauern kannten. Der kam dann mit seinen Pferden und einem Pflug und pflügte Teile vom Grün um, damit wir es ein bisschen leichter hatten. Es gab damals kein Wasser und keinen Strom. Zuerst wurden Brunnen gebohrt, damit wir zumindest mit einer Handpumpe arbeiten konnten, um die Pflanzen aus den vorherigen Gärten erst einmal zu retten. Dann gab es Probleme mit den Bungalows. Es wurde vorher genau festgelegt, wo jede Laube zu stehen hat. Die Laube musste bestellt werden, aber dann gab es diese und jene Sorte nicht.
Dann das nächste Problem: Es musste ja ein Betonsockel für die Laube gegossen werden. Aber woher den nötigen Zement kriegen? Mein Schwager kannte jemanden beim Stadtbau. Sie besorgten den Be-ton und fuhren ihn mit dem Tatra an. Ich weiß noch, dass es damals ein sehr heißer Tag war. Sie hatten Probleme, den Beton abzuladen, denn der wurde schon langsam hart. Viel Improvisationstalent und gute Organisation gehörten damals einfach dazu. Jeder musste seine Beziehungen spielen lassen, damit man seinen Garten überhaupt schön machen konnte.
Was ist aus Ihrer Sicht neben Improvisationstalent und zupackenden Händen wichtig, um eine Kleingartenkolonie quasi aus dem Nichts aufzubauen?
Für uns war es damals wichtig, dass es einen Vorstand gab, der sich auch dahinterklemmte und gut organisieren konnte. Außerdem war damals die Gemeinschaft noch groß gefragt und man half sich untereinander. Wenn zum Beispiel ein Bungalow angeliefert wurde, fassten alle mit an. Der wurde erstmal abgeladen, weil der eine oder andere nicht die Erfahrung beim Aufbau hatte. Wie oft ich bei den Bungalows mitgeholfen habe, kann ich gar nicht mehr zählen.
Was hat Ihre Familie damals in ihrem Kleingarten angebaut?
Der Garten war damals vor allem dazu da, um für sich selbst etwas anzubauen, auch wegen der Nahrungsknappheit. Dafür waren die Kleingärten ideal. Das, was man nicht in den Läden bekam, wurde halt angebaut. Das haben wir genauso gemacht. Damals war es auch politisch gewollt, dass jeder möglichst viel Obst und Gemüse anbaute, um es der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Wenn man seine Ernte in die Läden brachte, wurde das auch bezahlt.
Damals sollten zwei Drittel des Gartens Nutzfläche sein, heute sind es nur noch ein Drittel. Wir hatte damals Erdbeeren, Strauchobst wie Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren – und das ist bei mir heute noch genauso. Dazu normale Gemüsesorten, wie Kohlrabi, Weißkohl, Grünkohl. Und vor allem Gurken und Tomaten.
Es ist auch immer noch so, dass der alte Ossi auf die Sorte „Harzer Feuer“ schwört. Die verwende ich auch heute noch. Und man freut sich dann richtig, wenn die erste Tomate rot geworden ist oder man die erste Gurke ernten kann. Damals konnte ich mir bei meinen Eltern Vieles abgucken und lernen. Und diese Erfahrungen gebe ich heute an meine Kinder und Enkelkinder weiter. Auch neuen Pächtern oder Gartenfreunden gebe ich gerne den einen oder anderen Ratschlag.
Warum lohnt sich aus Ihrer Sicht die viele Arbeit?
Das ist ja nicht nur bloß ein Hobby. Man hat etwa zu tun, wenn man die Pflanzen selbst aussät, selbst zieht und dabei zusehen kann, wie alles wächst. Und anschließend wird man belohnt, wenn man ernten darf. Man pflegt den Garten, man primelt rum oder man sitzt, so wie ich jetzt gerade, auf seiner Terrasse und guckt geradezu auf den Gartenteich, der vor sich hinplätschert. Das beruhigt einen, man kommt runter vom stressigen Alltag. Wenn man seinen Kleingarten richtig pflegt, artet der auch nicht in Arbeit aus. Dann hat man Erholung und Freude daran. Und es ist vor allem schön, wenn man seine Erfahrungen anderen weitergeben kann.
Wie es mit der einstigen Kleingartensparte Angergrund weitergehen wird, ist ungewiss. Sie sind seit 1997 Vorsitzender des Kleingartenvereins und haben einen der verbliebenen sieben Gärten ergattert, die von der Stadt gekauft wurden. Wie geht es mit dem Verein jetzt weiter?
Wir müssen uns jetzt erst einmal wieder neu finden. Von den sieben verbliebenen Parzellen wurden zwei neu vergeben. Die neuen Pächter kennen die Geschichte des Vereins nicht und wissen nicht, wie wir hier gemeinsam gekämpft haben. Die müssen erstmal ein bisschen an die Hand genommen und in die Gemeinschaft aufgenommen werden.
Wir sind bloß noch zehn Mitglieder, was natürlich organisatorisch leichter ist als mit den vorherigen 54. Wir werden demnächst eine Mitgliederversammlung abhalten und einen neuen Vorstand wählen, wenn die Corona-Pandemie noch weiter abgeflaut ist. Auch eine Revisionskommission muss noch gewählt werden.
Haben Sie Hoffnung, dass die anderen ehemaligen Gärten auf der Fläche am Angergrund, auf die das Unternehmen Tamax Wohnungen bauen will, von der Stadt gesichert werden?
Die Veränderungssperre, die von den Stadtverordneten im vergangenen Jahr verlängert wurde, nützt nicht viel, wenn alles brach liegt und verwildert. Es gibt hier auch viel Vandalismus.
Die Stadt Potsdam ist ja noch fleißig dabei, ihren B-Plan für die Kleingartensiedlung Angergrund auf die Beine zu stellen. Und wenn das dann mal irgendwann umgesetzt wird, ist jetzt schon klar, dass die Tamax rechtlich dagegen vorgehen wird. Das Unternehmen wird nicht so einfach aufgeben. Dann muss man sehen, ob sich die politische Lage bis dahin noch mal geändert hat und wie es in Zukunft mit Wohnungen in Potsdam aussehen wird.